Donnerstag, 28. Februar 2008

Microsoft-Pionier vermacht Homo-Gruppen 65 Millionen

Ric Weiland nahm sich 2006 das Leben – ein Großteil seines Vermögens geht jetzt in die Community.

Von Dennis Klein

Er war von Anfang an dabei: 1975 heuerte Bill Gates persönlich den Stanford-Absolventen Ric Weiland an. Der 22-Jährige war damit einer der ersten fünf Mitarbeiter der Garagen-Firma Microsoft. Als Hauptprogrammierer für die Computersprachen Basic und Cobol half er dem kleinen Unternehmen, ein Weltkonzern zu werden. Ihn machte der Erfolg schnell zum Millionär, der sich auch gerne politisch und sozial engagierte. Allerdings kämpfte er Zeit seines Lebens gegen Depressionen – und nahm sich im Sommer 2006 im Alter von 53 Jahren das Leben. Weiland hinterließ seinen Lebenspartner Mike Schaefer.

Größte Homo-Spende aller Zeiten

Auch nach dem Tod setzt sich der Programmierer der ersten Stunde für Homo-Rechte ein: Er spendete schwul-lesbischen Gruppen insgesamt 65 Millionen Dollar (44 Millionen Euro). Für diesen Zweck ist das die größte je gemachte Spende. Das Geld geht an zehn verschiedene Lobby-Organisationen wie den Servicemembers Legal Defense Network oder die Gay & Lesbian Alliance Against Defamation, die persönlich von Weiland ausgesucht wurden. 19 Millionen Dollar gehen direkt an die Pride Foundation, die er vor wenigen Jahren selbst gegründet hat. Diese Organisation vergibt Stipendien, um so in zukünftige Führungspersönlichkeiten für Schwule und Lesben zu investieren.
Weitere 95 Millionen Dollar vermacht Weiland anderen gemeinnützigen Organisationen – vor allem im Bereich des Umweltschutzes – und an seine Alma Mater, die Stanford-Universität.

Aber auch schon zu Lebzeiten stellte sich Weiland in den Dienst der Sache, nachdem er 1988 bei Microsoft als steinreicher Mann kündigte: Zeit seines Lebens spendete er geschätzte 30 Millionen Dollar an diverse Organisationen. Der Philanthrop selbst arbeitete als Homo-Aktivist im Nordosten der Vereinigten Staaten. So kämpfte er darum, dass General Electric, immerhin die zweitgrößte Firma der Welt, zur Jahrhundertwende Antidiskriminierungsrichtlinien für Schwule und Lesben erließ und so einen regelrechten Trend in der US-Wirtschaft startete.

Er sorgte auch mit Eigenkapital dafür, dass das traditionsreiche Homo-Medienhaus PlanetOut (heute: "The Advocate", Gay.com) den Crash der Internetfirmen im Jahr 2000 überlebte. Auf seinen ehemaligen Chef scheint Weiland Einfluss hinterlassen zu haben: Microsoft gehört nicht nur zu den homofreundlichsten Konzernen der Vereinigten Staaten, Bill Gates hat im vergangenen Jahr höchstselbst die Mehrheit an PlanetOut übernommen.

Spendenkultur in Amerika

Großspenden wie diese sind in den USA nicht unüblich. Auch zu Lebzeiten engagieren sich viele Multimillionäre karitativ. Das spektakulärste Geschenk war das des Investors Warren Buffet, der vor zwei Jahren 37 seiner 52 Milliarden Dollar spendete – den größten Teil davon erhielt die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die vor allem die Armut in der Dritten Welt bekämpfen will.

In Deutschland sind derlei Spenden – ob vor oder nach dem Tod – allerdings nicht üblich. Während hierzulande pro Kopf und Jahr durchschnittlich knausrige 50 Euro für wohltätige Zwecke abgezweigt werden, sind es in den USA mehr als zehn Mal so viel. Dabei gibt es auch hierzulande Stiftungen, gerade im schwul-lesbischen Bereich, die dringend auf Zuwendungen angewiesen sind. So wurde erst vor rund zwei Wochen die Gründung der Arcus-Stiftungsinitiative bekannt gegeben, die Schwulen und Lesben ganzheitlich in Jugend- und Altenarbeit, der Selbsthilfe und der Akzeptanzförderung unter die Arme greifen will. Spender – ob große oder kleine – sind allerdings noch rar.

Kanada: 40% der Aids-Opfer unbehandelt

Vancouver - 40 Prozent der Menschen, die in der kanadischen Provinz British Columbia an den Folgen Aids gestorben sind, haben nie eine lebensrettende Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten erhalten – und das obwohl diese kostenlos ist. Das ist das Ergebnis einer Studie des B.C. Centre for Excellence in HIV/Aids, das mehr als 1.400 Aids-Tode zwischen 1997 und 2005 untersucht hat.

"Wir haben ein ernstes Problem", erklärte Dr. Julio Montaner, Chef des Forschungsinstituts. "Die Behandlung ist leicht zu erhalten und kostenfrei, aber etwas läuft falsch, wenn Menschen, die Medikamente am meisten brauchen, diese nicht in Anspruch nehmen." Besonders betroffen seien HIV-Positive mit niedrigem Einkommen. "Auch Faktoren wie Obdachlosigkeit, Immobilität, Geisteskrankheit, illegale Aktivitäten und Sprachprobleme spielen eine Rolle", so Montaner.

Prominenter Bürgerrechtler wendet sich von Clinton ab

Washington — Die angeschlagene US-Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten, Hillary Clinton, hat einen neuen Rückschlag einstecken müssen: Der prominente schwarze Bürgerrechtler John Lewis wandte sich von ihr ab und verkündete, er werde künftig Clintons parteiinternen Rivalen Barack Obama unterstützen. Der 68-jährige demokratische Kongressabgeordnete aus Georgia sagte, er wolle "auf der Seite des Volkes, auf der Seite des Geists der Geschichte" stehen. Für ihn sei Obama ein Symbol des Wandels.

Lewis sagte, er empfinde weiter tiefe Zuneigung für Clinton und ihren Mann Bill, den früheren US-Präsidenten. Aus seiner Sicht sei Clinton eine "brillante und fähige" Präsidentschaftsbewerberin. Sein Wechsel in das Obama-Lager sei teils durch den haushohen Sieg des schwarzen Senators aus Illinois in seinem Bezirk bei den Vorwahlen in Georgia Anfang Februar motiviert gewesen. Obama zeigte sich höchst erfreut und erklärte: "John Lewis ist ein amerikanischer Held und ein Gigant der Bürgerrechtsbewegung, ich fühle mich sehr geehrt, dass er mich unterstützt."

Clinton sagte, Lewis sei immer ihr Freund gewesen und werde dies auch in Zukunft bleiben. Für die New Yorker Senatorin kommt Lewis' Wechsel zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Am 4. März stehen die mit Spannung erwarteten Vorwahlen der Demokraten in den wichtigen Bundesstaaten Ohio und Texas an, bei denen sich endgültig entscheiden dürfte, ob die 60-Jährige ihren Vorwahlkampf fortsetzt oder nicht. Zuletzt hatte ihr Obama mit elf Vorwahlsiegen klar den Rang abgelaufen.

Mittwoch, 27. Februar 2008

Ein neues Grundrecht auf der Höhe der Zeit


Ist die Online-Durchsuchung nun erlaubt oder verboten? Nachrichten zum Thema Internet verbreiten sich ebenda besonders schnell. Freilich gelang es den zahllosen Foren und ihren Usern zunächst weder, sich auf eine einheitliche Schlagzeile zum frisch ergangenen, lesenswerten Urteil zu einigen noch hatte man den Eindruck, die Netzgemeinde mache sich die lohnende Mühe, den Darlegungen des Gericht zu folgen, bevor man sie schubladisierte. So wechselten sich die Überschriften munter ab: „Gericht erlaubt Online-Durchsuchungen“ stand virtuell neben „Gericht verbietet Online-Durchsuchungen“. Vermutlich ist das keine schlechte Presse für ein Urteil, das mit so großer Spannung wie wenige erwartet wurde. Das lag weniger am konkreten Fall, dem nordrhein-westfälischen Gesetz. Angekündigt hatte sich eine Grundsatzentscheidung, und die Richter hatten in weiser Voraussicht ob der greifbaren Bedeutung des Gegenstandes ihr gesteigertes Interesse an der Materie signalisiert lassen. Beklemmender Futurismus Denn hier verdichten sich grundsätzliche Fragen der Ausbalancierung von Sicherheit und Freiheit, angewandt auf die ebenso schwindelerregende wie alltäglich gewordene Informations- und Kommunikationstechnik des Internets, des Personal-Computers und ihrer variantenreichen technischen Abkömmlinge. Sie sollen durch technisch nicht minder avancierte Mittel heimlich ausgespäht werden, von deren Existenz der normale Nutzer kaum etwas weiß: „Hardware-Keylogger“ und „Messungen der elektromagnetischen Abstrahlung von Bildschirm oder Tastatur“ listet das Urteil in seinen mitunter beklemmend futuristisch wirkenden Passagen. Heraus kam ein „ja, aber“, das unter besonders hohen Voraussetzungen des materiellen Rechts wie des Verfahrensrechts dem Gesetzgeber den Weg zu einer verfassungskonformen Regelung von Onlinedurchsuchungen weist. Das Urteil macht eine Eingriffsermächtigung insbesondere davon abhängig, „dass tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut vorliegen“. Eine richterliche Anordnung soll die Interessen des Betroffenen verfahrenstechnisch absichern. Ein Meilenstein Juristen sind eher konservative Zeitgenossen, und sie meiden gerne Superlative und Dramatisierungen. Dennoch hat das Urteil kurzfristig Zeug zur Sensation und langfristig zum Klassiker. Allerdings nicht durch sein erwartbares und in gewisser Weise affirmatives Ergebnis, sondern durch den Weg dorthin. Und man sieht daran, dass auch der Mittelweg aufregend sein kann. Denn die Richter haben ein neues Grundrecht auf der Taufe gehoben. Die Bürger, so sprachen die Hüter der Verfassung, hätten ein Grundrecht „auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“. Das ist ein Meilenstein in der juristischen Bewältigung der Herausforderungen der technisch-wissenschaftlichen Moderne. Noch ist seine Bedeutung unabsehbar und sind seine Konsequenzen ebenso vage Zukunftsmusik wie jene Fälle, an denen es künftig in Karlsruhe und vor anderen deutschen Gerichten ausbuchstabiert werden wird. Deutlich aber wurde der Wille, ein neues juristisches Instrument zu schaffen, das einen genuinen Prüfstein für kulturelle Praktiken gibt, die historisch ohne Vorbild sind. Selbst in ihrer Summe kommen die Auskünfte traditioneller Aufschreibtechniken und Kommunikationsmedien niemals an jene computerisierte Info-Avantgarde heran, die es nun in jedem Supermarkt als Massenware gibt. Die Grenzen des Rechts auf Selbstbestimmung Das Bundesverfassungsgericht war ebenso klug wie mutig, hierfür einen neuen Weg einzuschlagen. Es formulierte in bedenkenswerter Offenheit die systembedingten Grenzen des „Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“, jener bis dato eingesetzten Allzweckwaffe für alle Fragen rund um den Datenschutz und Persönlichkeitsgefährdungen. Der „grundrechtliche Schutz der Vertraulichkeits- und Integritätserwartung“ füllt von nun an und für unabsehbare Zeit als neue dogmatische Figur jene Lücken, die die informationelle Selbstbestimmung ließ. Die Einleitung der Richter in die technischen Zusammenhänge, die ihre juristische Erfindung rechtfertigen, klingt hier zwar denkbar konventionell. „Das Internet ist ein elektronischer Verbund von Rechnernetzwerken“ – man denkt unweigerlich an graue, leicht angestaubte Gehäuse aus der Frühzeit der PCs denkt. Doch dahinter folgen Beschreibungen und Analysen, die den „großen Funktionsumfang“ und die „früher nicht absehbare Bedeutung“ der Systeme und ihrer Daten sachkundig nachzeichnen. Angst vor dem Späherstaat Sie nehmen die Sorge vor den Konsequenzen der digitalen Ausforschungen unter der Bedingung der Heimlichkeit ernst: Die Gesamtausspähungsangst vor dem Superausspähstaat wird mit diesem Urteil gewiss nicht beseitigt sein, aber die Bürger haben nun die Sicherheit, dass die Richter die Gefahr erkannt haben und ihr etwas Wirksames entgegensetzen wollen: Auch die rechtlichen, nicht nur die polizeilichen Instrumente müssen mit der Technik Schritt halten. Nicht nur die juristische Seite des Urteils zu den Online-Durchsuchungen verdient Aufmerksamkeit. Allerdings konnte das Gericht über die kriminalistischen Aussichten, über die praktische technische Durchführung und deren Erfolge (was auch Schwierigkeiten einschließen müsste) keine Aufklärung leisten. In der Anhörung schwiegen die obersten deutschen Kriminalisten vor dem Senat: Die Präsidenten des Bundeskriminalamts und des Bundesamt für Verfassungsschutz erhielten keine Aussagegenehmigung.

Weiterer Punktsieg für Obama

Sachlicher Ton statt Verbalatttacken - beim wichtigen TV-Duell vor den Vorwahlen in Texas und Ohio hielten sich Hillary Clinton und Barack Obama mit persönlichen Angriffen zurück. Erste Analysen sehen Obama vorn. Für Clinton wird es jetzt sehr eng.

Es war das letzte Aufeinandertreffen vor den möglicherweise entscheidenden Vorwahlen in Texas und Ohio und wieder behielt Barack Obama im Rennen der demokratischen Präsidentschaftskandidaten die Oberhand. Erste Experten-Analysen bescheinigen dem Senator aus Illinois ein besseres Abschneiden als seiner Rivalin Hillary Clinton. Die größte Überraschung beim TV-Duell: Die Kontrahenten verzichteten auf persönliche Attacken. Nachdem es in den vergangenen Tagen zu äußerst scharfen Wahlkampfkontroversen gekommen war, blieb der Ton in der Diskussion am Abend in Cleveland (Ohio) höflich.

Besonders breiten Raum räumten die Kontrahenten der Gesundheitsreform und dem umstrittenen Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada (NAFTA) ein. Bei diesen Punkten lieferten sich die beiden Bewerber auch die schärfsten Wortwechsel.

Entscheidene Vorwahlen

Nach einer Serie von elf Vorwahlsiegen hintereinander hatte Obama die Favoritenrolle im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur erobert. Die Experten sind sich einig: Will Clinton weiter eine Chance auf die Nominierung haben, muss sie am 4. März in Ohio und Texas klar gewinnen. Vor diesem Hintergrund galt die Fernsehdebatte - die insgesamt 20. im demokratischen Vorwahlkampf - für sie als besonders wichtig. Experten sahen in der Diskussion aber keinen Wendepunkt zu ihren Gunsten. Nach jüngsten Umfragen kurz vor der Debatte lag Obama in Texas knapp in Führung. In Ohio hat sich Clintons Vorsprung auf etwa zehn Prozent verringert.

Die New Yorker Senatorin erklärte in der TV-Debatte, dass sie weiter für eine Nominierung kämpfen werde. Wie bereits zuvor, verwies sie auf ihre langjährige Erfahrung - vor allem in der Außenpolitik. Hier warf sie Obama Schwächen vor. "Vergangenen Sommer hat er grundsätzlich damit gedroht, Pakistan zu bombardieren", sagte sie. "Ich halte das nicht für eine besonders kluge Position." Obama wies den Vorwurf zurück: Er habe lediglich gesagt, die USA sollten eingreifen, falls Pakistan selbst nicht fähig oder willens sei, gegen die Köpfe des Terrornetzwerks Al-Qaida vorzugehen. Zwar behaupte Clinton immer wieder, sie stehe "von Tag eins an" als Oberbefehlshaberin der Streitkräfte bereit. In Wahrheit jedoch sei sie in der Vergangenheit von Tag eins an bereit gewesen, Präsident George W. Bush nachzugeben, sagte Obama in Anspielung auf Clintons Ja für den US-Einmarsch im Irak. Obama hatte sich von Anfang an gegen den Irak-Einsatz ausgesprochen. Auch der voraussichtliche republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain hatte Obama vergangene Woche wegen seiner fehlenden Erfahrung in der Außenpolitik und seinen Pakistan-Äußerungen angegriffen.

Turban-Affäre

Ausdrücklich distanzierte sich Clinton von einem am Wochenende verbreiteten Foto, das Obama in traditioneller muslimischer Kleidung mit Turban zeigt. Ein US-Internetportal hatte das Bild mit dem Hinweis verbreitet, es sei von Mitarbeitern Clintons in Umlauf gebracht worden. Für einen versöhnlichen Schlusspunkt sorgte Obama, der seiner Rivalin bescheinigte, dass sie des Präsidentenamtes "würdig" sei. In jedem Fall wäre sie für die Aufgabe besser geeignet als John McCain, sagte der 46-Jährige. Er glaube aber, dass er der bessere Präsident als Clinton wäre, "weil ich das Land auf eine einzigartige Weise zusammenbringe würde."

Dienstag, 26. Februar 2008

Welchen Schutz genießt der eigene Computer?

Welchen Schutz genießt der eigene Computer?

Von Stefan Tomik

Selten hat das Bundesverfassungsgericht schon vor einem Urteil so deutlich zu erkennen gegeben, was es vom Streitgegenstand hält, wie bei der „Online-Durchsuchung“. Das Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen, die bislang einzige ausdrückliche gesetzliche Grundlage für derlei Maßnahmen, wurde in der mündlichen Verhandlung im Herbst schon wegen seiner Unbestimmtheit scharf kritisiert. Selbst der Prozessbevollmächtigte der Landesregierung gestand ein, das Gesetz sei „suboptimal“ formuliert und bedürfe einer Überarbeitung: „Vielleicht hätte man ein Komma anders setzen sollen, darüber müssen wir dann reden.“

Seinem Versuch, dem Gericht zu erläutern, was der Gesetzgeber überhaupt unter Online-Durchsuchungen verstehe, begegnete Gerichtspräsident Papier mit der ungläubigen Frage, „ob wir noch vom gleichen Gesetz sprechen“. Unter welchen Umständen die heimliche Durchsuchung von Computern überhaupt zulässig ist und etwa ins neue BKA-Gesetz aufgenommen werden kann, hängt von den Maßstäben ab, die die Karlsruher Richter in ihrem Grundsatzurteil an diesem Mittwoch aufstellen.

Artikel 13 als hohe Hürde

Zu den rechtlichen Fragen gehört etwa, ob ein Computer in einer Privatwohnung auch dann noch durch die Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt ist, wenn er mit dem Internet verbunden wird. Bejaht man das, müssten sich Online-Durchsuchungen am strengen Maßstab des Artikels 13 des Grundgesetzes messen lassen. Der kann in seiner derzeitigen Fassung zwar für staatliche Abhörmaßnahmen wie den „großen Lauschangriff“ eingeschränkt werden, nicht aber ohne weiteres für einen verdeckten Zugriff auf Computerfestplatten.

Dagegen wird argumentiert, dass die Gefahren der Internetkommunikation hinlänglich bekannt seien und ein Nutzer schon deshalb nicht darauf vertrauen kann, dass seine Daten geheim blieben. Die Verbindung zum Internet enthöbe den Computer damit gleichsam dem Schutz der Wohnung.

Soweit man dem Argument folgt, kann das aber nur für jene Daten gelten, die tatsächlich (unverschlüsselt) über das Internet übermittelt werden, nicht für jene, die auf der eigenen Festplatte liegen. Selbst wenn ein Computernutzer an Internet-Tauschbörsen teilnimmt, gestattet er anderen Teilnehmern nur den Zugriff auf eng umgrenzte Bereiche seiner Festplatte.

Das Dilemma der Online-Ermittler

Die nordrhein-westfälische Landesregierung geht noch weiter und argumentiert, dass auch Kriminelle über das Netz in private Rechner eindrängen, diese kaperten und etwa für den illegalen Versand von Massen-E-Mails über eigens dafür aufgebaute „Bot-Netze“ missbrauchten. Daraus wird gefolgert, dass der Nutzer die Kontrolle über den eigenen PC längst verloren habe.

Doch das hieße, letztlich Kriminelle den Schutzbereich eines Grundrechts bestimmen zu lassen. Das Argument lässt sich zudem schnell gegen seinen Urheber wenden: Wird ein Rechner fremdgesteuert, können die dort abgelegten Inhalte kaum seinem Besitzer zugerechnet werden.

Die Ermittler stehen vor einem Dilemma: Sobald sie erfolgreich in einen Rechner eingedrungen sind, zeigt das zugleich, dass auch andere sich auf diese Weise Zugang verschaffen könnten. Der Datenmanipulation durch Dritte wären Tür und Tor geöffnet. Das wirft die Frage auf, wie gerichtsfest Beweise sind, die durch einen heimlichen Zugriff auf Festplatten gewonnen werden. Sie stellt sich vor allem, wenn Online-Durchsuchungen nicht nur zur Abwehr möglicher Straftaten eingesetzt werden, sondern auch zur Strafverfolgung.

Entwickelt Karlsruhe ein neues Grundrecht?

Manche halten die Diskussion darüber, ob der Rechner den Schutz der Wohnung genießen soll, für rückwärtsgewandt und verweisen darauf, dass Computerchips – womöglich mit eigenem Internetzugang – in Zukunft auch in den menschlichen Körper implantiert werden könnten, um Gebrechen oder Behinderungen auszugleichen. Dann gliche ein Eingriff in den Rechner einem Eingriff in die körperliche Integrität des Betroffenen.

Womöglich muss, wie schon in der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht angedeutet wurde, der Schutz von Computern auf eine ganz neue Grundlage gestellt werden. Sie könnte wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus den Artikeln 1 und 2 hergeleitet werden. Dann spielte es für die Reichweite des Schutzes keine entscheidende Rolle mehr, ob sich der Rechner innerhalb oder außerhalb einer Wohnung befindet.

In jedem Fall müssen künftig Vorkehrungen zum Schutz des „unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung“ getroffen werden. Den hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum „großen Lauschangriff“ aus der Menschenwürdegarantie abgeleitet und unter besonderen Schutz gestellt. In diesem intimen Privatbereich verbietet sich demnach auch jede Abwägung des Grundrechts gegen Interessen der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung.

Wo beginnt der „Kernbereich“?

Das schafft in der Praxis schon jetzt erhebliche Probleme, da auch bei der Telefon- oder Wohnungsüberwachung versehentlich höchst private Daten erhoben werden könnten. Ermittler müssen eine Überwachung deshalb unter Umständen abbrechen, wenn die Überwachten Privatgespräche führen. Aber woher sollen sie wissen, wann sie sich wieder zuschalten dürfen?

Auf einer Computerfestplatte können Daten, die dem Kernbereich zuzurechnen sind, und andere Daten direkt nebeneinander liegen. Die entscheidende Frage lautet, wie Online-Fahnder die einen von den anderen unterscheiden könnten. Eine Software, die das leistet, gibt es nicht. Denn kein Algorithmus könnte erkennen, ob jemand bloß Nachrichten über Terroranschläge aus der Tagespresse sammelt oder selbst einen Anschlag plant.

Das hat auch das Bundesinnenministerium erkannt, das auf eine entsprechende Frage der SPD-Fraktion antwortete: „Der Schutz des Kernbereichs anderer Nutzer wie auch des Beschuldigten kann allein mit technischen Mitteln nicht abschließend garantiert werden.“ Fälschlicherweise erhobene höchst private Daten müssten später herausgefiltert und gelöscht werden und dürften vor Gericht keine Verwendung finden. Allerdings hätten Betroffene, deren Kernbereich verletzt wurde, wohl keine Möglichkeit, das später gerichtlich nachzuweisen.

Viele Rechner sind „abenteuerlich unsicher“

Tatsächlich ist auch dieses Abgrenzungsproblem nicht neu, denn schon bei einer gewöhnlichen Beschlagnahme eines Rechners und anschließender Auswertung der Festplatte wird der Kernbereich privater Lebensgestaltung über solche Beweisverwertungsverbote geschützt. Im Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen ist jedoch nicht einmal das vorgesehen.

Oft wird argumentiert, dass Kriminelle sich durch technische Vorkehrungen gegen Online-Durchsuchungen schützen könnten. Nach dieser Logik müsste die Polizei aber auch darauf verzichten, an einem Tatort Fingerabdrücken zu sichern, weil vorsichtige Mörder Handschuhe tragen.

Ohne Zweifel ließe sich ein Rechnersystem wirkungsvoll schützen, aber der Aufwand dafür ist hoch. Im Ergebnis, so resümiert ein Gutachter, seien heute viele auch angeblich gut gesicherte Computersysteme „abenteuerlich unsicher“. Auch die Kofferbomber in Deutschland und die Attentäter, die Ende Juni Sprengsätze in der Londoner Innenstadt deponierten, gingen recht unbedarft mit Informationen um: Erstere hinterließen in den Koffern Telefonnummern aus dem Libanon; Letztere hatten angeblich in den Handys, die als Zünder dienen sollten, Telefonnummern gespeichert. Anscheinend waren die Täter in beiden Fällen davon überzeugt, dass ihre Bomben auch alle Hinweise vernichten würden. Es war zum Glück nicht ihr einziger Fehler.

Der Informant, der lichterloh verbrennt

von Peter Carstens, Berlin

Gibt es neben Heinrich K. weitere Quellen in der Liechtensteiner Steueraffäre?

26. Februar 2008 Der Informant „Henry“ ist eine ergiebige Quelle: Der Mann aus Liechtenstein hat angeblich dem BND, der britischen und amerikanischen Steuerfahndung und vielen weiteren Behörden Millionen Daten über Millionäre verkauft, von denen etliche nun in ihren Heimatländern der Steuerhinterziehung beschuldigt werden.

Während in Deutschland am Wochenende „Spiegel“ und „Focus“ mit detaillierten, ziemlich gleichlautenden Details zur Lebensgeschichte des Heinrich Kieber und zur Abwicklung des Datenverkaufs aufwarteten, berichtete zur gleichen Zeit die britische Zeitung „Sunday Times“, dass britische Behörden umgerechnet 135.000 Euro an Kieber für Liechtensteiner Kontodetails von bis zu 100 Staatsbürgern des Vereinigten Königreichs gezahlt hätten. Schon an den ersten Tagen der Affäre hatten sich Geheimdienstexperten darüber gewundert, wie schnell Einzelheiten des Datenkaufs, insbesondere zum Informanten, publik geworden sind. So eine Person müsse sich unbedingt auf die Diskretion des Dienstes verlassen können, mit dem er arbeitet.

In dunkle Geschäfte verstrickt

Das Leben des Informanten Kieber gilt jedenfalls nach Andeutungen des Bundesnachrichtendienstes als gefährdet. Gefahr droht dem Mann mit unbekanntem Aufenthaltsort weniger von mutmaßlichen deutschen Steuersündern als von Besitzern Dutzender anderer Liechtenstein-Stiftungen, die in dunkle Geschäfte ganz anderen Kalibers verstrickt sind.
Blättern

So gesehen, ist ein öffentlich bekannter Informant im Dienstjargon „verbrannt“ – und eventuell ein verfolgter Mann. Das kann mit Blick auf die fachliche Reputation schwerlich im Interesse des BND liegen.

Zumindest unangenehme Begleiterscheinung der Affäre ist, das im Zuge der Steuerermittlungen auch der Name des bayerischen Datenschützers Karl Michael Betzl öffentlich wurde. Betzl ist verheiratet mit einer Referatsleiterin vom BND, einer Frau Dr. R., die das Untersuchungsreferat des Nachrichtendienstes leitet, jenes Referat, dem im Zuge der Affäre um rechtswidrige Journalistenbeobachtung 2005 schwere Verfehlungen zur Last gelegt wurden. Mehrere der damals observierten Reporter gehören heute zu den schreibenden Experten in der Steueraffäre.
Die Daten von Konten der LGT-Bank sollen nur bis 2003 reichen: Woher stammen ...

Die Daten von Konten der LGT-Bank sollen nur bis 2003 reichen: Woher stammen die weiteren Steuerdaten?

Wer lanciert geheime Informationen?

Vom BND kamen, so beteuert man in Kreisen des Nachrichtendienstes, die Informationen über Kieber nicht. Wer aus dem weiten Kreis der Mitwisser kommt also sonst noch in Frage? Der Grünen-Abgeordnete Ströbele und sein FDP-Kollege Stadler, die beide im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages vergangene Woche aus dem Munde des BND-Präsidenten Uhrlau weniger erfahren haben wollen als später aus der Presse, sind zu Mutmaßungen aufgelegt.

Ströbele sagte: „Offenbar gibt es ein Interesse beim BND oder bei der Bundesregierung oder auch bei beiden, bestimmte Informationen an die Öffentlichkeit zu lancieren.“ Für ihn und seine PKG-Kollegen seien jedenfalls ein großer Teil der jetzt veröffentlichten Informationen völlig neu gewesen. Stadler sagte: „Ich frage mich dabei schon, wer ein Interesse daran hat, dies nach außen gelangen zu lassen.“

Ein Ablenkungsmanöver?

Immerhin haben auch Bundeskanzleramt, diverse Finanzbehörden und auch das Bundeskriminalamt von Kieber gewusst, teilweise sehr genau. Das Bundeskriminalamt (BKA) besitzt die Steuerdateien und hatte es zudem abgelehnt, Kieber in sein Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Deshalb muss der BND seinen Informanten selbst schützen – soweit er kann.

Vielleicht aber lenkt der lichterloh verbrennende Informant Kieber auch einfach ab von anderen, ekligeren Details der Angelegenheit. So vermutete der Geheimdienstexperte der „Berliner Zeitung“ schon Anfang letzter Woche, es könne sich bei Kieber um eine Art Strohmann handeln, mit dessen Hilfe die wahren oder weiteren Quellen des BND – beispielsweise technische Aufklärung und andere Auskunftspersonen – verschleiert würden.

Dafür sprach beispielsweise, dass die Kieber-Daten eigentlich nur bis Anfang 2003 reichen können, dem Zeitpunkt seiner Kündigung oder Entlassung bei der LGT-Bank. Kieber hatte dort Papiere digitalisiert und dabei die Unterlagen von Hunderten von „Stiftern“ gestohlen. Doch unter den Steuerdaten, die schließlich zur Bochumer Staatsanwaltschaft gelangt sind, soll es auch solche geben, die bis Ende 2005 reichen. Woher kommen sie?

Erpresst wegen pädophiler Neigungen?

Nach Auskunft mehrerer Quellen sind an den BND und die Steuerfahnder auch Daten der Landesbank Liechtenstein gekommen. Möglicherweise stammen sie von weiteren Informanten. Auffällig war in diesem Zusammenhang, wie schnell die LGT selbst schon am 15. Februar mit einer Pressemitteilung ohne Namensnennung auf Kieber hinwies und versicherte, Daten von Konten, die ab 2003 eröffnet wurden, seien „von diesem Datendiebstahl nicht betroffen“. Es gebe „keine Hinweise, dass seit 2002 Kundendaten entwendet wurden“. So sollte wohl die erschrockene Kundschaft beruhigt werden, dass es keine weiteren Sicherheitslücken und „Informanten“ gebe.

Die schweizerische Boulevard-Zeitung „Sonntags-Blick“ hatte am Wochenende noch eine Variante präsentiert, die der BND umgehend als frei von Tatsachen zurückgewiesen hat. Demzufolge soll der deutsche Nachrichtendienst weitere Mitarbeiter Liechtensteiner Geldinstitute zur Kooperation ermuntert haben.

In einem Fall sei dies durch blanke Erpressung geschehen. Der Betreffende habe pädophile Neigungen und sei in eine vom BND mit Kamera und Mikrofon gespickte Falle gelaufen. Dann habe der Dienst ihn mit den Aufnahmen erpresst. Weder sei die Meldung inhaltlich zutreffend noch bediene sich der Nachrichtendienst solcher Methoden, teilte der BND dazu mit. Die Daten stammten von einem „Selbstanbieter“ – gemeint ist Kieber –, alles andere sei „hanebüchener Unsinn“.

Graeter wird nach Landsberg verlegt

Haftstrafe für Klatschreporter

Der in der Schweiz verhaftete Kolumnist Michael Graeter soll bald von Konstanz in die Justizvollzugsanstalt Landsberg verlegt werden. Wie lange er im Gefängnis bleibt, ist allerdings noch offen.

Michael Graeter; dpa
Soll bald in die Justizvollzugsanstalt Landsberg verlegt werden: Klatschreporter
Michael Graeter

Der Münchner Klatschreporter Michael Graeter, dessen Kolumnistentätigkeit als Vorlage für die TV-Kultserie „Kir Royal“ diente, soll noch in dieser Woche von Konstanz in die Justizvollzugsanstalt Landsberg verlegt werden.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München sagte am Dienstag, wie lange der unter anderem wegen Veruntreuung verurteilte 66-Jährige hinter Gittern bleiben müsse, sei noch offen.

Graeter hatte laut Staatsanwaltschaft gegen Bewährungsauflagen verstoßen und saß seit dem 21. Januar in Bern in Auslieferungshaft. Am vergangenen Dienstag war er der deutschen Polizei in Konstanz übergeben worden.

Der Reporter war 2002 vom Amtsgericht München wegen Insolvenzverschleppung, zweifachen Bankrotts und Veruntreuung von Arbeitsentgelt zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

China: erstes HIV-Programm für Schwule

Peking - Erstmals hat das Gesundheitsministerium im kommunistisch regierten China ein Programm zur Bekämpfung von HIV und Aids unter Schwulen gestartet. Bislang hat die Parteiführung Homosexualität weitgehend ignoriert, obwohl schwuler Sex vor gut zehn Jahren legalisiert worden war.

"Wir müssen mehr über Schwule lernen, dass wir sie besser gegen die unheilbare Krankheit schützen können", erklärte Wang Weizhen, Vize-Chef in der nationalen HIV-Kampagne. "Wir sammeln daher Daten in mehreren Städten über die Ausbreitung und die Verhaltensweisen von Schwulen."

Nach offiziellen Angaben sind 700.000 Menschen in der Volksrepublik HIV-positiv. In elf Prozent der Fälle sei dem Ministerium zufolge die Übertragung durch schwulen Sex geschehen. Die Dunkelziffer liegt bei beiden Angaben laut internationaler Experten aber weit höher. Sie gehen aber davon aus, dass auf China noch eine Welle von HIV-Infektionen zukommen wird, wie sie im Westen Anfang der 80er Jahre stattfand.

Parade der schrillen Diven

Von Michael Lenz

Glitzernd geschminkt, mit bunten Federboas und Perücken sind Drag Queens die Königinnen der Homosexuellenszene Sydneys. Ihren großen Auftritt haben sie bei der Schwulen- und Lesben-Parade Mardi Gras. Die Veranstaltung ist unter den Diven inzwischen umstritten.

Die Australier haben ein feines Händchen dafür, politische Botschaften mit viel Witz und Ironie, schrillen Kostümen sowie viel Glimmer und Flitter unters Volk zu bringen: An diesem Wochenende feiert Australiens Gay Community mit einer großen Parade durch Sydney den 30. Mardi Gras.

Die Parade ist die große Stunde der Drag Queens. "Natürlich bin ich dabei. Ich werde in der Gruppe 'Alte Drag Queens' in der Parade mitziehen", sagt Cindy Pastel, 50, und fügt hinzu: "Ich war auch damals vor 30 Jahren dabei, als die erste Demo brutal von der Polizei aufgelöst und viele Teilnehmer verhaftet wurden."

Drag Queens – das Wort Drag ist eine Abkürzung für Dressed as a Girl - gehören zu Australien wie die Kängurus. In den Schwulen-Bars von Sydney wie dem "Stonewall" auf der Oxford Street dem "Newtown Hotel" und vor allem dem legendären "Imperial" sind Dragshows ebenso selbstverständlich wie auf den Bühnen der Clubs des RSSL, des Kriegsveteranenverbandes. Diese Clubs sind in jeder australischen Stadt das Zentrum des bürgerlichen gesellschaftlichen Lebens.

"Ich bin ein Schwanz im Fummel"

Mit ihren schillernden Persönlichkeiten irritieren Drag Queens nicht nur so manches Mal die bürgerliche Welt, sondern sorgen auch in der Gay Community für Verwirrung, wenn sie sich weigern, die Schubladen gesteckt zu werden. "Ich war eine der ersten Drag Queens ohne Titten. Natürlich steckten wir uns was für die Shows ins Kostüm. Danach nahmen wir es wieder heraus und gingen in die Lederbar", sagt Cindy Pastel grinsend, die ohne Perücke und Fummel Ritchi Finger heißt. Sie fügt lapidar hinzu: "I am a cock in frock" – "Ich bin ein Schwanz im Fummel."

Die Drag-Queen-Kultur geht auf den Ursprung Sydneys als britische Gefangenenkolonie zurück. Zum einen hatte sich auf Grund des Frauenmangels eine homosexuelle Subkultur entwickelt. Zum anderen haben die Sträflinge eine antiautoritäre, rebellische Tradition begründet, in der sich vielfältige Lebensstile und exzentrische Persönlichkeiten entfalten können.

Australien ehrt seine Drag Queens. Eines dieser Denkmäler ist der Kultfilm "Priscilla". Dann ist da "Priscilla – Das Musical", das erst über ein Jahr lang in Sydneys renommiertem Lyric Theatre und seit vergangenem Juni in Melbourne Abend für Abend vor ausverkauftem Haus über die Bühne geht.

Pose auf dem Stöckelschuh

Mit allen drei Drag-Queen-Ehrungen ist Cindy Pastel eng verbunden, die seit Ende der siebziger Jahre die Kaiserin der Drag Queens Down Under ist. Trotz der Höhen und Tiefen ihres/seines Lebens. Zehn Jahre lang, bis Sommer 2007, war Cindy/Ritchi von den Bühnen Sydneys verschwunden, um von einem Leben mit Drogen und Alkohol loszukommen. Das selbstgewählte Exil hat Cindy/Ritchi bis zum Comeback vor einem Jahr nur einmal unterbrochen, um hoch oben in einem gigantischen silbernen Priscilla-Stöckelschuh sitzend bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2000 durch das Olympiastadion als eine Ikone Australiens zu gleiten.

Die Figur der "Mitzi" im Film "Priscilla" basiert auf der Lebensgeschichte von Cindy/Ritchi. "Priscilla"-Drehbuchautor Stephan Elliott hatte Cindy Pastel bei der Recherche zu seinem Film Anfang der neunziger Jahre im "Albury" (dem inzwischen geschlossenen Mutterhaus der Drag Queens von Sydney) kennen gelernt. Cindy/Ritchi erinnert sich: "Elliott kam zu mir nach Hause. Seine gesamten Vorstellungen vom privaten Leben einer Drag Queen waren über den Haufen geworfen, als ich ihm mit meinem Sohn auf dem Arm die Tür öffnete. Er hat das ganze Drehbuch umgeschrieben."

Der Film hat so manchem jungen Aussie das Coming Out als Drag Queen erleichtert. "Wir haben Generationen von Drag Queens ermutigt und beeinflusst", freut sich Cindy. Wie zum Beispiel Jason de Santis. Der 24 Jahre alte Aborigine steht an Wochenenden im hohen Norden Australiens in Darwins erster und einziger Schwulenbar als Foxy Empire auf der Bühne. Als erste Aboriginal Drag Queen ist Foxy gar beim jährlichen Naidoc-Day, einer Art Nationalfeiertag der Aborgines, aufgetreten. Für Foxy/Jason ist Drag ein Lebensgefühl wie auch eine politische Aussage. "Drag muss roh, unangepasst, direkt und geradeheraus sein."

Kritik an Parade: Kommerziell und roboterhaft

Cindy wird nach dem Mardi Gras die Perücke an den Nagel hängen. "Ich höre auf." Die Szene ist ihm zu angepasst, zu glatt, zu kommerziell geworden und die meisten seiner Drag-Queen-Kolleginnen empfindet er als "roboterhaft", was Cindy auch als Ausdruck einer angepassten Schwulenkultur empfindet. "Die ist reglementierter, politisch korrekter als früher." Auch Mother Hell ist mit der Szene über Kreuz. Der Fummel der Höllenmutter ist das Habit der Nonnen. Sie gehört zu dem "Orden" der "Schwestern der perpetuellen Indulgenz", einer radikalen Aidsaktivistenbewegung. Mother Hell als Rik ist den Mardi Gras leid. Zu viele Gays würden auf den Partys Drogen nehmen, klagt der fast blinde Aktivist, während die Fortschritte bei der rechtlichen Gleichstellung von Lesben und Schwulen sehr schleppend seien. "Schwule sind doch für jeden Brosamen dankbar."

Dann lästert Mother Hell über die Vermarktung der Mardi Gras Parade als eines der großen Touristenereignisse Sydneys: "Nur Gott alleine weiß, warum das so ist. Ein Haufen von Lkw verpackt in buntem Plastik, von denen Tanzmusik der siebziger Jahr plärrt, ist nicht gerade die glamouröseste Reflektion des schwulen Sydney im neuen Millennium." Aber wirklich lassen kann Mother Hell alias Rik nicht von dem Mardi Gras. Wie jedes Jahr wird er in vollem Ornat samt seiner Blindenhündin Billie, deren Krallen Rik zum Mardi Gras gern rosa lackiert, dabei sein. Rik und Billie sind bei der Parade Teil des "City of Sydney" der Bürgermeisterin von Sydney, Clover Moore. "Clovers Büro hat mich angerufen und mich gefragt, ob ich wieder mitmachen will. Da konnte ich doch nicht Nein sagen."

Wer das Lebensgefühl "Drag Queen" am eigenen Leib erfahren möchte, ist bei den Stadtrundfahrten "Sydney by Diva" von Shirley Shagwell (zu Deutsch: Bumstgut) an der richtigen Adresse. Im Preis inbegriffen sind eine Perücke, ein Frauenname, Gesang und viel Sekt. Am Ende der Rundfahrt durch das nächtliche Sydney steht ein Auftritt der dann reichlich angesäuselten Reisetruppe auf der Bühne des Imperial. Fräulein Shagwell versichert: "Dadurch wird jedem seine innere Diva bewusst." Meine innere Diva hört seit der Rundfahrt auf den Namen Antoinette.

Sonntag, 24. Februar 2008

Irland: Protest gegen Gay-Paar im TV

Ein händchenhaltendes schwules Paar hat im irischen Frühstücksfernsehen für einen Proteststurm gesorgt.
Marc McCarron und Paul Kenny zeigten ihre Gefühle für einander, als sie in der Sendung "Ireland AM" des privaten Fernsehsenders TV3 zum Thema Eingetragene Partnerschaften für Schwule und Lesben interviewt wurden.


"Die Telefonzentrale von TV3 wurde von zornigen Anrufern überschwemmt", berichtete die irische Ausgabe des "Daily Mirror". Eine Sprecherin des Senders bestätigte: "Das Interview hat bei unseren Zuschauern starke Reaktionen hervorgerufen. Es ist ein Thema, über das unser Publikum sehr leidenschaftlich denkt. Obwohl wir einige Beschwerden erhalten haben, war die überwiegende Mehrheit für eine Rechtsgrundlage für homosexuelle Paare."

Trotz der heftigen Proteste stimmten bei einer Zuschauer-Aktion 72 Prozent der Teilnehmer für die Pläne der irischen Regierung, Eingetragene Partnerschaften einzuführen.

In der Republik Irland ist Homosexualität erst 1993 legalisiert worden. In der zu Großbritannien gehörenden Provinz Nordirland gibt es Eingetragene Partnerschaften mit gleichen Rechten und Pflichten bereits seit 2005.

Mittwoch, 20. Februar 2008

Otto Schily und seine Nebeneinkünfte

Bundestagspräsidium stellt Regelverstoß fest

Das Bundestagspräsidium hat einen Verstoß Otto Schilys gegen die parlamentarischen Regeln zur Veröffentlichung von Nebentätigkeiten festgestellt. Kurz zuvor hatte der frühere Innenminister noch versucht, eine Fristverlängerung für seine Stellungnahme zu erreichen.

Die Erklärung des Präsidiums stellt fest: Der SPD-Abgeordnete habe Honorare aus seiner Tätigkeit als Anwalt nicht ordnungsgemäß angezeigt.

Er habe anwaltliche Mandate, die er seit dem 1. Januar 2006 wahrgenommen habe und die mit meldepflichtigen Beträgen vergütet worden seien, nicht angezeigt und somit die Verhaltensregeln verletzt.

Schily hat nun bis Ende März Zeit, erneut Stellung zu nehmen. Danach kann das Bundestagspräsidium über die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 44.000 Euro entscheiden. Das ist etwa die Hälfte seiner jährlichen Abgeordnetenentschädigung.

Zuvor war bekannt geworden, dass der SPD-Abgeordnete Bundestagspräsident Norbert Lammert um eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme bis zum 15. März gebeten hat.

Er habe sich im Januar an die Rechtsanwaltskammer Berlin gewandt und um eine schriftliche Stellungnahme zu der Frage gebeten, "ob es mit meinen anwaltlichen Pflichten vereinbar ist, dem Bundestagspräsidenten Einzelangaben zu bestimmten Mandaten - wenn auch in sogenannter anonymisierter Form - zu machen", sagte Schily der Passauer Neuen Presse zufolge. Der Gesamtvorstand der Rechtsanwaltskammer wolle jedoch erst am 10. März über die Anfrage beraten.

In einem Brief, der bei Lammert am Montag eingegangen sei, bitte Schily daher um Aufschub, schrieb die Zeitung weiter. In der Sache sehe er sich weiterhin "außerstande", seine Einnahmen offen zu legen, sagte der Exinnenminister den Angaben zufolge.

Er werde jedoch seinen „Standpunkt überprüfen“, sollte die Rechtsanwaltskammer bestätigen, „dass ich ohne Verstoß gegen meine anwaltlichen Verpflichtungen in anonymisierter Form einzelmandatsbezogene Angaben machen darf“. Gleiches habe er sich von Lammert erbeten für den Fall, dass die Rechtsanwaltskammer Schilys Auffassung teile.


Obama siegt zum zehnten Mal in Folge

Vorwahlen in Wisconsin und Hawaii

Mit dem zehnten Vorwahlsieg in Folge hat Senator Barack Obama im knappen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei einen weiteren Schritt nach vorn getan: Barack Obama konnte bei den Vorwahlen am Montag sowohl in Wisconsin als auch in Hawaii seine Rivalin Hillary Clinton schlagen. Für Clinton könnte es nach der Niederlage in Wisconsin langsam eng werden: Bei den nächsten Vorwahlen am 4. März in Ohio und Texas benötigt sie nach Angaben aus ihrem Wahlkampfteam mindestens einen Sieg, um dem Eindruck der Verliererin entgegenzuwirken. Bei den Republikanern ist Senator John McCain die Präsidentschaftskandidatur nach einem weiteren Sieg in Wisconsin nahezu sicher.

Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen entfielen in Wisconsin 58 Prozent auf Obama und 41 Prozent auf Clinton. Obama stahl Clinton auch bei den Fernsehsendern die Schau: Nahezu alle Sender brachen die Übertragung einer Ansprache Clintons ab, als Obama in Houston vor seine Anhänger trat. In Hawaii holte Obama Umfragen zufolge gar 74 Prozent. Ein gutes Abschneiden des Senators auf der Insel war allerdings erwartet worden, da der Senator dort aufwuchs. In Hawaii sind jedoch nur 20 Delegiertenstimmen zu vergeben.

„Gute Ideen sterben in Washington“

Dennoch bleibt das Rennen weiterhin spannend. Obama hat trotz des Sieges nur einen Vorsprung von 62 Delegiertenstimmen vor Clinton. Von den 2025 Stimmen, die ein Bewerber benötigt, um Präsidentschaftskandidat zu werden, hat Obama nach seinem Sieg in Wisconsin nun 1301 errungen; Clinton sicherte sich bislang 1239. Die Delegiertenstimmen aus Hawaii sind in diesen Berechnungen allerdings noch nicht enthalten.

Zu den Vorwürfen Clintons, er habe keine Erfahrung, sondern nur schöne Worte zu bieten, sagte Obama, er sei nicht naiv. Es mangle Amerika nicht an guten Ideen. „Aber Washington ist ein Ort geworden, in dem gute Ideen sterben.“ Deshalb müssten neue Leute in den politischen Prozess einsteigen, sagte Obama, dessen Rede immer wieder von Sprechchören „Yes, we can“ (Ja, wir schaffen es) unterbrochen wurde. „Der Wandel, den wir anstreben, ist noch Monate und Meilen entfernt“, gab Obama zu bedenken. Seine Anhänger in Texas rief er auf, von der Möglichkeit der vorzeitigen Stimmabgabe vor der Vorwahl am 4. März Gebrauch zu machen. Auch Clinton blickte schon auf die nächsten Vorwahlen und erwähnte die Niederlage in Wisconsin mit keinem Wort.

Obama erhält mehr Stimmen der Weißen

Obama gelang es in Wisconsin offenbar, in diejenigen Wählergruppen einzudringen, die bislang Clinton den Vorzug gegeben hatten. So erhielt er nach Ergebnissen von Wählernachfragen mehr Stimmen der weißen Wähler als Clinton. Bei den Frauen konnte er mit seiner Rivalin gleichziehen. Von den demokratischen Wählern in Wisconsin nahmen 15 Prozent zum ersten Mal an einer Vorwahl teil.
Weiter auf der Gewinnerschiene: John McCain

Weiter auf der Gewinnerschiene: John McCain

Wichtigstes Thema für sie waren Wirtschaft und Handel. Sieben von zehn Befragten gaben an, dass sie besorgt darüber seien, dass der Handel mit anderen Ländern auf Kosten der Arbeitsplätze in Wisconsin gehe.

John McCain vergrößert seinen Vorsprung

Bei den Republikanern konnte Senator John McCain seinen ohnehin großen Vorsprung bei den Vorwahlen der Republikanischen Partei noch ausweiten. Der Vietnamkriegsveteran erhielt in Wisconsin nach vorläufigen Ergebnissen 54 Prozent der Stimmen, der frühere Gouverneur Mike Huckabee kam auf 38 Prozent.

McCain sagte vor Anhängern in Columbus im Bundesstaat Ohio er sei nun sicher, dass er die Republikanische Partei in die Präsidentschaftswahl am 4. November führen werde. In Anspielung auf Obama sagte McCain: „Ich werde jeden Augenblick an jedem Tag in diesem Wahlkampf darum kämpfen sicherzustellen, dass die Amerikaner nicht von einem eloquenten, aber inhaltsleeren Aufruf zum Wandel getäuscht werden.“

Neue Spur aus dem Tresor?

War der angebliche Kennedy-Mörder Oswald wirklich nur ein verblendeter Kommunist ohne Hintermänner? Ein Dokument, das jahrzehntelang in einem Tresor in Dallas schlummerte, könnte nun das Gegenteil beweisen. Die Verschwörungstheorien blühen neu auf.
Von Katja Iken


"Alles, was ich brauche, ist ein Gewehr und ein hohes Gebäude." Mit diesem Satz soll der mutmaßliche Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald gegenüber dem Barbesitzer Jack Ruby bei einem Treffen in einem von Rubys Nachtclubs seine Mordabsichten erläutert haben - sechs Wochen vor dem Attentat auf den US-Präsidenten. Diese jetzt erst öffentlich bekannt gewordene Unterhaltung feuert die Verschwörungstheorien um die Ermordung von JFK neu an.

Bezirksstaatsanwalt Craig Watkins hat das Gesprächsprotokoll zwischen Ruby und Oswald im zehnten Stock des Gerichtsgebäudes von Dallas in einem alten Safe gefunden. Ursprünglich auf der Suche nach der Pistole, mit der Ruby drei Tage nach dem Präsidentenmord vom 22. November 1963 den angeblichen Kennedy-Attentäter umbrachte, stieß Watkins vor etwa einem Jahr auf den Tresor, dessen zwölf Kisten starken Inhalt er am Montag vor Journalisten präsentierte. Brisantestes Fundstück: die angebliche Abschrift des Nachtclub-Gesprächs zwischen Ruby und Oswald, geführt am 4. Oktober des Kennedy-Todesjahres.

Sollte sich das Gesprächsprotokoll als echt herausstellen, müsste der spektakuläre Fall zum wiederholten Mal neu aufgerollt werden. Denn laut offizieller Darstellung gilt der zur Tatzeit 25-jährige Oswald als Einzeltäter. Der Dialog zwischen Ruby, dem jüdischen Nachtclub-Besitzer mit Mafia-Kontakten, und dem überzeugten Marxisten Oswald hingegen liest sich so, als hätten beide das Attentat gemeinsam geplant. Ihr Motiv: Kennedys Bruder, den damaligen Justizminister Robert Kennedy, unschädlich zu machen, weil der die Mafia ins Visier genommen hatte.

"Ich kann seinen Bruder erschießen"

"Es gibt eine Möglichkeit, ihn (den Justizminister Robert Kennedy, d. Red.) zu erledigen, ohne ihn zu töten", sagte Oswald laut Protokoll. "Und welche?", fragte Ruby. "Ich kann seinen Bruder erschießen", entgegnete Oswald. "Den Präsidenten? Das wäre nicht besonders patriotisch", warf Ruby demnach ein. Oswald entgegnete, er könne es dennoch tun - eine Waffe sowie ein hohes Gebäude würden ihm genügen. Später warnte Ruby Oswald laut Gesprächsprotokoll noch vor den Folgen der Tat: Die Mafia würde Ruby drängen, Oswald zu töten, falls er festgenommen würde.

Die US-Justiz hält das Fundstück für eine Fälschung. Die Mitarbeiterin von Staatsanwalt Watkins, Terri Moore, sagte der Zeitung "Dallas Morning News", es handele sich wahrscheinlich um eine erfundene Szene für einen Film, den der damalige Staatsanwalt Henry Wade mitbetreute. Wade leitete die Ermittlungen gegen Ruby. Und Gary Mack, Kurator des Sixth Floor Museum in Dallas, das die Ermordung Kennedys rekonstruiert hat, soll laut "Dallas Morning News" laut gelacht haben, als er das Dokument in den Händen hielt.

Es gelte als klar erwiesen, dass Oswald an jenem Abend bei seiner Ehefrau in Irving gewesen sei, sagte Mack der Zeitung. Vermutlich habe Staatsanwalt Wade das Dokument deshalb aufgehoben, weil es ihn amüsiert habe. "Es ist urkomisch. Wie ein schlechter B-Movie", so Mack.

Lederhalfter und Messing-Schlagring

Die Warren-Kommission, die 1963 für die Aufklärung des Attentats eingesetzt worden war, ging stets davon aus, dass Oswald und Ruby sich nicht kannten - eine Frage, die aber nie abschließend geklärt werden konnte, da Ruby den mutmaßlichen Kennedy-Attentäter zwei Tage nach der Tat vor laufenden Kameras mit den Worten niederschoss: "Du hast meinen Präsidenten erschossen, du Ratte." Oswald starb im Parkland Memorial Hospital, genau wie zwei Tage vor ihm sein Opfer Kennedy - und drei Jahre später sein Mörder Ruby, der 1967 einer Lungenembolie erlag.

Zwar lag der Warren-Kommission schon während ihrer Untersuchungen ein ähnliches Dokument vor wie die nun aufgetauchte Abschrift. Doch erklärte das FBI jenen Dialog zwischen Ruby und Oswald damals für eine klare Fälschung.

Außer dem umstrittenen Gesprächsprotokoll enthält der Tresor aus Dallas nach US-Medienberichten unter anderem noch einen Lederhalfter und einen Messing-Schlagring Rubys sowie diverse Kleidungsstücke Oswalds. Nur das Objekt, mit dessen Suche Staatsanwalt Watkins die ganze Aufregung ins Rollen gebracht hat, fehlt noch immer: die Waffe, mit der Ruby Oswald ermordete. Sie scheint ebenso unauffindbar wie die ganze Wahrheit um den nach wie vor mysteriösen Fall JFK.

Dienstag, 19. Februar 2008

Kubas Chance auf den Wandel

Kubas Staatschef Fidel Castro zieht sich aus der Politik zurück. Die Amtsgeschäfte hat längst Bruder Raul übernommen. Was wird sich nach dem Abgang des großen Revolutionärs auf Kuba ändern? Oliver Pieper kommentiert.

Cambio – Wandel, ist derzeit das meistgesagte Wort auf Kuba. Cambio, das wollen vor allen Dingen die jungen Kubaner, die keinen anderen Staatschef kennen als Fidel Castro oder seinen Bruder Raul, der die Amtsgeschäfte seit knapp zwei Jahren führt. Drei Viertel der Kubaner sind nach der Revolution 1959 geboren, mit der Parole "Patria o muerte" - Vaterland oder Tod. Mit dem Rückzug Fidel Castros von allen Staatsämtern hat die Hoffnung auf einen Wandel neue Nahrung erhalten.

Es mutet schon seltsam an, dass ausgerechnet im Land des Erzfeindes USA die Menschen ebenso auf eine neue Politik hoffen. Auch dort heißt das Zauberwort Wandel, "Change", mit dem der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama die Menschen in seinen Bann zieht.

Doch für eine neue Politik zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba ist es noch ein weiter Weg. So löste Obama einen Sturm der Entrüstung aus, als er in einer Fernsehdebatte sagte, dass er zu Treffen mit den politischen Führern Kubas bereit sei. Er wurde daraufhin von seiner Widersacherin Hillary Clinton als naiv gescholten.

Der "Elder Statesman" im Hintergrund

Auch Raul Castro, den man mit seinen 76 Jahren getrost als Übergangspräsidenten bezeichnen kann, wird zwar seinen Weg der schrittweisen Öffnung Kubas fortsetzen - sei es wirtschaftspolitisch oder auch mit einer Annäherung an die Europäische Union.

Doch eine Verbesserung der Beziehungen mit den USA steht vorerst nicht auf der politischen Agenda. Das kann sie auch nicht, so lange der frühere Máximo Lider noch lebt. Fidel Castro wird weiterhin im Hintergrund als "Elder Statesman" tätig sein und seine weltpolitischen Weisheiten in der parteieigenen Zeitung "Granma" veröffentlichen.

Kuba muss seine Probleme lösen

Doch tatsächlich gibt es auf Kuba ganz andere Probleme: die katastrophale Lebensmittelversorgung oder der Umstand, dass die Kubaner mit durchschnittlich 30 Euro im Monat leben sollen, obwohl sie 80 Euro zum Leben benötigen. Ein Problem ist auch der Aderlass an jungen gebildeten Kubanern, die ihr Glück in Mexiko, den USA oder Europa versuchen. Kuba, dazu genügt nur ein Blick auf das zunehmend zerfallene Havanna, hat den Status eines Entwicklungslandes.

Hoffnung auf ein kleines bisschen Wandel

Es gibt also viel Arbeit für Raul Castro, der von der neuen Nationalversammlung und dem Staatsrat nun offiziell zum neuen Machthaber ernannt werden wird - Arbeit, die möglicht schnell erledigt werden sollte. Denn am 1. Januar 2009 feiert Kuba den 50. Jahrestag der Revolution.

Spätestens dann sollte der neue kubanische Staatschef erste Erfolge vorweisen können. Vielleicht verwandeln sich endlich das Warten und der Stillstand auf Kuba in eine Zukunft - mit einem Wandel, und sei er noch so klein.


Oliver Pieper

EU-Kommissar verteidigt AGG-Kritik

EU-Kommissar verteidigt AGG-Kritik

Brüssel - EU-Sozialkommissar Vladimír Špidla weist Kritik am von der EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der unzureichenden Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie zurück. "Deutschland hat bei der Antidiskriminierungsrichtlinie zugestimmt. Berlin sollte sich jetzt also nicht beschweren", erklärte Špidla im Nachrichtenmagazin "Focus". Die Kommission hatte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als nicht weitreichend genug kritisiert. Außerdem sieht die EU in der Ungleichbehandlung von Eingetragenen Lebenspartnern gegenüber Eheleuten ein Diskriminierung, die gegen europäisches Recht verstoße.

Die Bundesregierung hat bislang nur erklärt, dass ihrer Auffassung nach die Richtlinien vollständig umgesetzt worden seien. Sie prüfe nun das Schreiben aus Brüssel. Bis Ende April hat Deutschland Zeit, eine Antwort an Brüssel zu formulieren.

Harte Kritik an der EU-Intervention kam von der Bayerischen Staatsregierung. Sowohl der Europaminister als auch die Justizministerin (beide CSU) sagten, mit ihnen sei eine weitere Angleichung der Homo-Ehe nicht zu machen.

Als Beispiel für die unzulängliche Umsetzung nannte Špidla den Schutz vor Kündigungen. Das ist im AGG nicht ausdrücklich geregelt, es werde nur auf andere Gesetze verwiesen: "Das reicht nicht", so Špidla. "Der Wortlaut des Gesetzes muss klar sein. Die wenigsten Menschen sind Juristen. Nur wenn Betroffene ihre Rechte verstehen, entwickeln sie Mut, diese einzufordern."

Montag, 18. Februar 2008

Helgolands Befreier wird 80

Den Titel "Retter Helgolands" findet er übertrieben, doch seiner geschichtlichen Bedeutung ist sich René Leudesdorff durchaus bewusst. "Die Insel wäre ein paar Jahre später auch ohne uns an Deutschland zurückgegeben worden", sagt der ehemalige Pastor. Durch seine abenteuerliche Aktion sei es eben etwas schneller passiert. "Das Ziel war wichtiger als das Abenteuer", betont der Pensionär, der heute 80 Jahre alt wird.

Rückblende: Es ist Ende 1950. Der Theologiestudent Leudesdorff aus Heidelberg und sein Kommilitone Georg von Hatzfeld setzen auf das britisch besetzte Helgoland über und hissen dort eine Europa- und eine Deutschlandflagge. Die geräumte Insel war damals Übungsziel für britische Bomber. Es habe einen Widerspruch in der Politik gegeben, so Leudesdorff. "Auf der einen Seite sollte Deutschland wieder bewaffnet werden, um den Westen zu verteidigen, auf der anderen Seite wurde deutsches Gebiet noch vom Westen bombardiert." Darauf habe er hinweisen wollen. "Wir hatten vier Ziele: Wir waren gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands, das Bombardement der Insel sollte aufhören, die Helgoländer zurückkehren und zuletzt ein vereintes Europa", erzählt Leudesdorff, der heute in Flensburg wohnt. "Es gab das erste Mal das, was man heute zivilen Ungehorsam nennt".

Die friedliche Protestaktion, die zwei Journalisten begleiteten, wurde europaweit bekannt. Die britische Regierung geriet unter Druck, sodass die Verhandlungen über die Freigabe der Insel wieder aufgenommen wurden. Am 1. März 1952 war es dann so weit: Helgoland gehörte wieder zu Deutschland, und die Helgoländer Bevölkerung konnte nach Bombenräumung und Wiederaufbau auf die Insel zurückkehren. Noch heute ist Leudesdorff stolz auf den Coup.

1993 zeichnete der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker ihn und von Hatzfeld für die wohl erste deutsche gewaltfreie Aktion nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse aus.

Seinen Geburtstag feiert der Jubilar nicht auf der Hochseeinsel, wo er noch vor ein paar Tagen war, sondern mit seiner Familie in Baden-Württemberg, doch danach will er schnell zurück nach Flensburg: "Ich liebe den Norden."

Sonntag, 17. Februar 2008

Ermittlungen wegen Finanzierung von Dalai Lama-Feier

Verdacht der Untreue

Der tibetanische Religionsführer 2005 in Wiesbaden

Im Zusammenhang mit dem Besuch des Dalai Lama in Wiesbaden vor zweieinhalb Jahren hat die Staatsanwaltschaft Untreue-Ermittlungen gegen Kurdirektor Henning Wossidlo aufgenommen. Stadtrat Detlev Bendel (CDU) werde der Anstiftung verdächtigt, teilte die Behörde am Freitag mit. Grund ist, dass die Stadt das Kurhaus kostenlos für die öffentliche Geburtstagsfeier des geistlichen Oberhaupts der Tibeter zur Verfügung gestellt hatte. Bendel rechtfertigt dies mit dem Werbeeffekt der Veranstaltung.

Aufmerksam geworden war die Staatsanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen gegen den früheren Werbemanager Alexander Ruzicka. Er muss sich derzeit wegen Veruntreuung von rund 50 Millionen Euro vor dem Wiesbadener Landgericht verantworten. Ruzicka trat bei dem Ereignis als Sponsor auf und soll dabei einen Teil des veruntreuten Geldes gewaschen haben.

Staatskanzlei: Nur für Unterkunft und Bewirtung gezahlt

Staatskanzlei-Chef Stefan Grüttner (CDU) musste dazu am Freitag im Hauptausschuss des Landtags Fragen von SPD und Grünen beantworten. Nach seiner Darstellung war die Staatskanzlei nicht der Hauptveranstalter der Geburtstagsfeier und der öffentlichen Ansprache des Dalai Lama, die im Juli 2005 rund 25.000 Menschen in den Wiesbadener Kurpark lockte. Organisator sei ein lockerer Sponsoren-Zusammenschluss namens „Freunde für einen Freund“ gewesen. Die Staatskanzlei habe lediglich die bei einem Staatsbesuch üblichen Kosten für Unterkunft und Bewirtung übernommen. Sie hätten sich auf rund 18.000 Euro summiert.

Darüber hinaus gab die Staatskanzlei laut Grüttner bei einer Wiesbadener Agentur namens ZHP für knapp 12.000 Euro eine Dokumentationsbroschüre in Auftrag. Über ZHP sind nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft etliche Millionen der von Ruzicka veruntreuten Gelder geflossen. Gegen ihren früheren Mitbesitzer Reinhard Zoffel wird deshalb ermittelt. Kompagnon Zoffels war seinerzeit der hessische CDU-Politiker Volker Hoff, der wenige Monate nach dem Besuch des Dalai Lama als Europaminister in die Staatskanzlei wechselte.

Grüne: wieder Schwarzgeld - CDU: Schmutzkampagne

Abgeordnete von SPD und Grünen warfen der Landesregierung am Freitag vor, sich bei der Organisation des Besuchs in fragwürdige Gesellschaft begeben zu haben. Schwarzgeld habe am Anfang der Amtszeit von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestanden, Schwarzgeld stehe auch an ihrem Ende, sagte der Grünen-Parlamentarier Frank Kaufmann. Die Union beschuldigte SPD und Grüne, das Ereignis nachträglich in den Schmutz zu ziehen und politisch zu instrumentalisieren. Dies entspreche kaum dem von SPD-Chefin Andrea Ypsilanti versprochenen neuen Stil, sagte der Abgeordnete Frank Gotthardt.

Samstag, 16. Februar 2008

Mysteriöse Selbstmordserie in Wales

Zusammenhang mit Internet-Kontaktbörsen?

Die Serie mysteriöser Selbstmorde von Jugendlichen in Grossbritannien reisst offenbar nicht ab: Die Polizei in der betroffenen Region im Süden von Wales untersucht mittlerweile zwei neue Todesfälle. Es gehe um den Tod eines 15-jährigen Jungen und einer 20-jährigen Frau, die Cousin und Cousine waren, berichten britische Medien.

Der Jugendliche war im Spital gestorben, nachdem er sich am Vortag zu Hause in Bridgend selbst schwer verletzt hatte. Die ebenfalls aus Bridgend stammende junge Frau wurde am Freitag in einem Haus in Folkestone, rund 400 Kilometer entfernt, erhängt aufgefunden. Sie war dort zu Besuch.

Die Polizei machte zunächst keine offiziellen Angaben zu den beiden Fällen und zur möglichen Todesursache. Im Umkreis von Bridgend gab es seit Januar 2007 bereits 14 mutmassliche Selbstmorde junger Leute unter 27 Jahren.

Region mit erhöhter Suizid-Rate

Die Vorfälle werden in Zusammenhang mit Internet-Foren gebracht. Politiker aus Wales bezeichneten derartige Vermutungen jedoch als «Quatsch».

Carwyn Jones, Abgeordneter aus Bridgend im Parlament von Wales, schloss eine Verbindung zwischen den Fällen nach den beiden jüngsten Toten erneut aus. Er verwies darauf, dass es in der Region schon immer durchschnittlich 20 Selbstmorde im Jahr gebe.

Mit deutlich anderen Zahlen wartet hingegen Madeleine Moon, die Parlamentsabgeordnete aus der Region auf. Sie forderte eine nationale Strategie gegen Selbstmorde von Jugendlichen, die in Wales rund 35 Prozent häufiger auftreten als im übrigen England.

Diskussion um jugendgefährdende Internet-Seiten

Vor diesem Hintergrund hat das Justizministerium nach einem Bericht der BBC bereits eine Studie auf den Weg gebracht, die den Einfluss von Internet-Seiten auf das Verhalten Jugendlicher untersuchen soll.

Zudem fordert der konservative Abgeordnete Hugo Swire eine Behörde, die jugendgefährdende Websites auf eine Schwarze Liste setzt. Dazu gehörten unter anderem Internet-Angebote, die «Pornografie, Gewalt und Selbstmord» verherrlichen, wie er gegenüber der BBC erklärte.

Deutschlands "neuen Asozialen"

von Kai Beller (Berlin)

Klaus Zumwinkel ist für die SPD der Prototyp des raffgierigen Managers. Die Partei nimmt die Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung zum Anlass, die Debatte um überzogene Managergehälter neu anzuheizen.

"Offensichtlich ist in den letzten Jahren von selbst ernannten Teilen der Wirtschaftselite eine Praxis eingerissen, die man nur unanständig nennen kann", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zum Fall des zurückgetretenen Post-Chefs Klaus Zumwinkel. Heil vermutet, dass Zumwinkel nur die "Spitze des Eisberges" ist. Es sei damit zu rechnen, dass im Zusammenhang mit Konten in Liechtenstein noch mehr Fälle aufgedeckt würden. Von "neuen Asozialen", die sich selbst über "Staat und Gesetz" erhoben hätten, sprach der SPD-Generalsekretär.

Gegen den Post-Chef wird wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Er soll am deutschen Fiskus vorbei Geld in Stiftungen in Liechtenstein angelegt haben. Am Freitagmorgen erklärte Zumwinkel den Rücktritt von seinem Amt als Vorstandschef der Deutschen Post. Offenbar zieht der Fall weite Kreise: Die Ermittlungsbehörden sollen noch etliche andere Verdächtige im Visier haben.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil: Für Zumwinkel die volle Härte des Gesetzes
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil:
Für Zumwinkel die volle Härte des Gesetzes

Der SPD liefert der Fall den Anlass an eine Gerechtigkeitsdebatte anzuknüpfen, um die es in jüngster Zeit wieder etwas ruhiger geworden. Im Herbst vergangenen Jahres hatte die Politik eine Diskussion über überzogene Managergehälter und -abfindungen losgetreten. Arbeitsgruppen wurden eingesetzt, die untersuchen sollten, wie man die exorbitanten Gehälter der Wirtschaftselite deckeln könnte. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Union riefen die Manager zur Mäßigung auf, damit das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft nicht beschädigt werde.

Zumwinkel könnte das Paradebeispiel des raffgierigen Managertypus für die Sozialdemokraten werden. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erinnerte die Manager an ihre Vorbildfunktion. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, "nein, das ist strafrechtlich relevant. Das ist kriminell. Und das muss man beim Namen nennen", sagte Steinbrück. "Und diese freundlichen Damen und Herren, die auch überall Beratungsdienstleistungen zur Verfügung stellen, um anderen zu zeigen, wie es geht, die dürfen auch zum Gegenstand der öffentlichen Kritik gemacht werden", fügte er hinzu. Der Post-Chef galt als besonders gut verdrahtet in der Berliner Politik.

Auch der SPD-Vorsitzende Kurt Beck schlug scharfe Töne an. "Von der Justiz erwarte ich, dass kein Deal gemacht wird“, sagte er. „Das würde dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen - aus meiner Sicht völlig zu Recht - tief widersprechen." Es müsse geprüft werden, ob das Strafmaß insgesamt ausreichend sei "für solche Steuervergehen schwerster Art".

Auch Heil verlangte, die Möglichkeiten der Strafbemessung voll auszuschöpfen. Und er machte deutlich, wie Zumwinkel bestraft werden soll: Eine Geldstrafe sei nicht ausreichend.

Infobox: Steuerhinterziehung

Steuerhinterziehung ist in Deutschland ein Vergehen, das in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. Steuersündern, die jetzt vielleicht durch den Zumwinkel-Skandal Reue verspüren, bleibt die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Voraussetzung dafür: Falsche bzw. unvollständige Angaben in der Steuererklärung müssen umgehend korrigiert bzw. ergänzt werden. Hinterzogene Steuern müssen dann innerhalb der vom Finanzamt vorgegebenen Zeit bezahlt werden.

Wenn dem Steuersünder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens mitgeteilt wurde, ist es allerdings zu spät für eine strafbefreiende Selbstanzeige. Gleiches gilt natürlich auch, wenn die Steuerhinterziehung von den Fahndern bereits ganz oder teilweise entdeckt wurde.

Autor: Dr. Bernd-Ulrich Haagen, ZDF

Nach Ansicht der Parteiführung gefährdet die "Jagd nach maßlosen Spitzenrenditen" die Existenz von immer mehr gesunden Betrieben und qualifizierten Arbeitsplätzen. Das Prinzip, wonach die Wirtschaft für die Menschen da sein müsse, sei in weiten Teil außer Kraft gesetzt. Was "ein zügelloser Wettlauf nach Profit" anrichten könne, erlebten gerade viele Menschen in den USA. Dort müssten die "kleinen Leute" um ihre Häuser bangen. Unverzichtbar sei deshalb mehr Transparenz auf den Finanzmärkten, so die SPD-Führung. In Deutschland müssten das bankeninterne Risikomanagement und das Bilanzrecht verbessert und "zweifelhafte Praktiken" von Rating-Agenturen bekämpft werden.

Beck: Keinen Deal machen

Bereits am Freitag hatte der SPD-Vorsitzende Kurt Beck von der Justiz ein scharfes Vorgehen im Fall Zumwinkel und in weiteren Fällen von Steuerhinterziehung verlangt: "Von der Justiz erwarte ich, dass kein Deal gemacht wird. Das würde dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen - aus meiner Sicht völlig zurecht - tief widersprechen."

Infobox: Kritik am Post-Aufsichtsrat

In der Affäre um den zurückgetretenen Postchef Klaus Zumwinkel ist Kritik am Aufsichtsrat des DAX-Konzerns laut geworden. Dort säßen durchaus auch "die Politiker, die ihn jetzt schelten", sagte der Hamburger Wirtschafts- und Rechtsexperte Michael Adams im Deutschlandradio Kultur. Diese hätten die Möglichkeit vertan, Zumwinkels Tätigkeit rechtzeitig zu beenden. Der Wirtschafts- und Rechtsprofessor der Universität Hamburg forderte, alle wichtigen Posten nur zeitlich befristet zu vergeben.

Stattdessen habe sich Zumwinkel immer besser vernetzen können. Auch die Gewerkschaften hätten ihn gestützt. Sein Eintreten für den Post-Mindestlohn habe ihm "die Langfristigkeit seines Posten gesichert", erklärte Adams. Aufgrund dieser langen Dominanz habe sich bei Zumwinkel die Illusion entwickeln können, er stehe über den Gesetzen. Adams nannte Zumwinkels Bilanz "nicht so extrem erfolgreich": In den USA habe er fünf Milliarden Euro versenkt. Mit der Mindestlohngesetzgebung habe er Konkurrenten ausgeschaltet und das überteuerte Porto der Post gesichert.

"Wer sich trotz eines Millionengehalts vor der Steuer drückt, versündigt sich gegenüber unserem Land", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Jetzt müsse geprüft werden, ob der Strafrahmen bei Wirtschafts- und Steuerdelikten härter gefasst werde: "Es darf keinen Freibrief geben." Auch CSU-Chef Erwin Huber forderte harte Konsequenzen. Es müsse schleunigst ein Selbstheilungsprozess in der Wirtschaft einsetzen: "Deshalb sollten wir härtere Gesetze für hochgradige Steuersünder beschließen." SPD-Chef Kurt Beck sagte der Münchner "Abendzeitung": "Ich erwarte von der Justiz, dass kein Deal gemacht wird". Das widerspräche dem Gerechtigkeitsempfinden.

Freitag, 15. Februar 2008

Leck in der Fürstenbank

von Wolfgang Frey
Grund für die Ermittlungen gegen Postchef Klaus Zumwinkel war offenbar ein Leck in der Liechtensteiner Bank "Liechtenstein Global Trust". Es ist ausgerechnet die Bank der Fürstenfamilie. Die steht auf reiche Kundschaft wie den Millionär Zumwinkel.

Das klingt attraktiv: "Investieren Sie Ihr Vermögen Seite an Seite mit der Fürstenfamilie von Liechtenstein". So wirbt Liechtensteins Fürstenbank LGT. Damit ist schon eines klar: Mit Peanuts begnügt sich diese Bank nicht.

Die LGT ist in der Tat keine Dorfsparkasse, auch wenn Vaduz, der Hauptort von Liechtenstein und Sitz der Bank, nur 5.000 Einwohner hat. Die LGT ist etwas für Reiche und Superreiche. Sie selbst bezeichnet sich als die "Wealth & Asset Management Gruppe des Fürstenhauses von Liechtenstein".

Zum Kundenkreis der LGT zählen "vermögende Privatkunden" und "institutionelle Anleger", für die "unsere Asset-Management-Spezialisten weltweit die Investmentmöglichkeiten" eruieren, wie die Bank über sich selbst schreibt. Die LGT beschäftigt 1.600 Mitarbeiter und ist an 29 Standorten in Europa, Asien, dem Mittleren Osten und Amerika präsent.

Das "Fürstliche Portfolio"
"Ob Vermögensaufbau, -erhalt oder -weitergabe Ihr Ziel ist: Für die erfolgreiche Vermögensentwicklung kann Ihr Berater auf eine breite Palette von Bank- und Treuhanddienstleistungen zugreifen" - so wirbt die Bank auf ihrer Internetseite.

Dort können sich potente Kunden auch über das "Fürstliches Portfolio" informieren, das "in verschiedenen Börsenphasen erprobtes Anlagekonzept der Fürstlichen Familie". An dieser fürstlichen Anlagestrategie können LGT-Kunden exklusiv teilhaben. Ihre Gelder werden dabei mit der gleichen Strategie angelegt, wie die der Fürstenfamilie selbst. Und die will ihr Vermögen schließlich auch vergrößern.

Seine Durchlaucht Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, Präsident des Stiftungsrates der LGT Group, formuliert das so: "Wir haben das Finanzportfolio unserer Familie den Investmentexperten der LGT anvertraut, um mit innovativen Methoden und Instrumenten unser Vermögen zu sichern und zu mehren".

Die Geschäfte der LGT laufen gut. Im ersten Halbjahr 2007 - neuere Zahlen liegen nicht vor - kletterte der Konzerngewinn um 36,3 Prozent auf 136 Millionen Schweizer Franken. Die betreuten Vermögen stiegen in den sechs Monaten um insgesamt 13,3 Prozent auf 99,7 Milliarden Franken.

Deutschland vor historischem Steuerskandal

Philip Eppelsheim

Die Durchsuchungen in Klaus Zumwinkels Büro und Privathaus sind offenbar nur die Spitze eines Eisbergs und Bestandteil eines umfassenden Ermittlungsverfahrens gegen Steuerbetrüger. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte am Freitag, dass gegen „sehr viele“ bekannte und weniger bekannte „Leistungsträger“ ermittelt werde.

Ob sich deren Positionen mit der Zumwinkels vergleichen lassen, sagte der Sprecher nicht. Ihre Verdienste lägen in den höheren Einkommensklassen, ihre Namen kenne das Bundesfinanzministerium allerdings selbst nicht. Sie befänden sich aber auf einer belastenden CD-Rom, die der Bochumer Staatsanwaltschaft zugespielt worden sei.

Rätselraten um belastende CD

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ soll der Bundesnachrichtendienst in Pullach schon im vergangenen Jahr einen Informanten, der unter anderem Interna über Zumwinkel angeboten hatte, an die Wuppertaler Steuerfahndung vermittelt haben. Von dort sollen die Unterlagen - in Form einer CD-Rom mit Namen und Beweismaterial - an die Staatsanwaltschaft in Bochum weitergeleitet worden sein. Weder die Steuerfahndung in Wuppertal noch der Bundesnachrichtendienst waren zu einer Stellungnahme dazu bereit. Auch das Finanzministerium wollte keine Angaben machen. Ein Sprecher der Bochumer Staatsanwaltschaft äußerte sich am Freitag ausweichend: „Wir wollen das weder bestätigen noch bestreiten.“

Darüber hinaus teilte die Schwerpunktabteilung Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft mit, dass sich ihre Ermittlungen auf Erkenntnisse stützten, die ihr von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt worden seien. „Diese Unterlagen betreffen Geldanlagen mehrerer hundert inländischer Personen, insbesondere über Stiftungen in Liechtenstein, die augenscheinlich allein zum Zweck der Steuerhinterziehung eingerichtet worden sind.“ Woher der Informant stammt und wie genau er an die belastenden Daten gekommen ist, war aus Bochum nicht zu erfahren.

„Sehr hohe Beweiskraft“

Bei der dortigen Staatsanwaltschaft, deren Wirtschaftsabteilung als hart und kompromisslos gilt, ging schon einmal eine CD-Rom ein - genauer gesagt bei Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, die nun auch das Verfahren gegen Zumwinkel betreibt. Daraufhin leitete Margrit Lichtinghagen vor neun Jahren Ermittlungen gegen den Liechtensteiner Treuhänder Herbert Batliner ein. Die „Batliner-CD“ führte zu einem der größten Steuerverfahren Deutschlands. Im Zuge dieses Verfahren bearbeiteten die Bochumer Staatsanwälte damals 150 Fälle. Mit dem so genannten „Batliner“-Verfahren hätten die nun vorliegenden Erkenntnisse aber nichts zu tun, ließ die Staatsanwaltschaft wissen.

Vieles deutet jedoch darauf hin, dass die neuen Unterlagen zu einem Steuerverfahren ähnlichen Ausmaßes führen könnten. Wie es heißt, soll es 900 Durchsuchungsbeschlüsse geben. Es sei eine Gesamtsumme von 3,4 Milliarden Euro am Fiskus vorbei nach Liechtenstein geflossen. Bestätigen wollte die Bochumer Staatsanwaltschaft diese Zahlen jedoch nicht. Die Unterlagen besäßen aber eine „sehr hohe Beweiskraft“. Da eine Vielzahl der Fälle über den Bochumer Zuständigkeitsbereich hinausgehen, haben die Generalstaatsanwälte in Düsseldorf und Köln Staatsanwälte abgestellt, die nun zusammen mit den Bochumer Staatsanwälten arbeiten, „und zwar gemeinsam mit verschiedenen Steuerfahndungsstellen des Landes Nordrhein-Westfalen und der Kriminalpolizei Essen“. Das Bundesfinanzministerium riet den Betroffenen, sich selbst anzuzeigen.

Donnerstag, 14. Februar 2008

Gericht verbietet Darkrooms

Zürich - Das Bezirksgericht Zürich hat Sex in "gastgewerblichen Räumen" grundsätzlich für gesetzeswidrig erklärt. Damit wären auch Darkrooms in der Schweiz illegal, berichtet die "Neue Zürcher Zeitung". Die Entscheidung des Einzelrichters will der Kläger vor dem Obergericht, der nächsthöheren Instanz, überprüfen lassen. Homo-Gruppen kritisierten das Urteil scharf.

Das Verfahren geht auf den Wirt des "Dynasty Club" zurück, gegen den die Behörden wegen sexueller Handlungen im Lokal eine Strafe von 300 Franken (180 Euro) verhängt hatten.

Das Gericht sah Sex in öffentlich zugänglichen Lokalen als Verstoß gegen das Gastgewerbegesetz an. Weil ein großer Teil der Bevölkerung Sex in Gaststätten als unsittlich empfindet, könne er auch in Schwulen-Bars nicht genehmigt werden. Sonst müssten sexuelle Handlungen in allen Gaststätten erlaubt sein, so das Gericht. Die Freiheit, die eigene Sexualität auszuleben, höre dort auf, wo sich andere gestört fühlen könnten.

Dabei wurde auf den Paragraf 17 des kantonalen Gastgewerbegesetzes hingewiesen, das in allen Einrichtungen die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sitte vorschreibe. Wenn Darkrooms erlaubt werden sollten, müsse zunächst dieser Paragraf geändert werden.

Roger Markowitsch vom "Verein der Gay-Betriebe Schweiz" (Vegas) nannte das Urteil einen "Dolchstoß". Die Richter hätten mit dem generellen Verbot auch eine Vereinbarung mit der Stadt Zürich missachtet, die den Betreibern von Homo-Bars unter bestimmten Voraussetzungen (Prostitutionsverbot, Mindestalter 18 Jahre, Präventions-Informationen) Darkrooms erlaubte.