Sonntag, 28. Februar 2010

Google, Twitter und die Suche nach Überlebenden

Chile nach dem Erdbeben

Dramatische Suche nach weiteren Erdbebenopfern: In Chile kämpfen die Helfer gegen die Zeit, mehr als 300 Menschen sind ums Leben gekommen. Viele Angehörige schreiben ihre Hilferufe und Appelle ins Internet.
Hilfskräfte befreien  eine Verschüttete aus den Trümmern in 
Concepción; AFP
Hilfskräfte befreien eine Frau aus den Trümmern - bei der Suche nach Überlebenden ist das Internet unerlässlich.
Bei der Suche nach Angehörigen und Freunden nach dem verheerenden Erdbeben in Chile rückt das Internet immer stärker in den Mittelpunkt. Der US-Konzern Google startete noch am Samstag eine Personen-Suchfunktion, die unter chilepersonfinder.appspot.com abrufbar ist. In der Suchmaske können entweder unter "Ich suche jemanden" der Name eines Vermissten eingegeben oder unter "Ich habe Informationen über jemanden" Informationen über Vermisste hinterlegt werden. Am Samstagabend zählte die Seite bereits rund 1400 Einträge. Eine ähnliche Funktion hatte der Internetriese nach dem Erdbeben in Haiti Mitte Januar eingerichtet.
Auch soziale Internet-Netzwerke wie Facebook oder Twitter werden für die Opfer des Bebens und ihre Angehörigen zunehmend zur unerlässlichen Informationsquelle. Zahlreiche Menschen schrieben Hilferufe und Appelle auf ihre Facebook-Seiten. "Bitte ruft mich an, wenn jemand ein Zeichen meiner Eltern hat, dass es ihnen gut geht", schrieb etwa Carlos Jaque auf sein Profil. Ein Freund antwortete: "Ich habe mit deinem Vater telefoniert, die Verbindung brach ab, aber ich glaube, es geht ihnen gut." Über Twitter tauschen viele Nutzer Erfahrungen und Tipps aus, wie man sich bei Erdbeben verhalten sollte; sie beten und helfen bei der Suche.
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Südamerika Gewaltiges Beben schockt Chile Rahmen
Chile dpa
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In Japan erreichten am Sonntag kleinere Flutwellen vorgelagerte Inseln. Nach Angaben der meteorologischen Behörde erreichte ein lediglich zehn Zentimeter hoher Tsunami die Ogasawara-Inseln, ein weiterer Tsunami von 30 Zentimetern Höhe wurde in Hokkaido beobachtet. Berichte über Schäden lagen nicht vor. Dennoch galt die Gefahr zunächst noch nicht als gebannt.
Aus Furcht vor einem Tsunami hatten die Behörden zuvor Zehntausende von Bewohnern an der gesamten Pazifikküste des Inselreiches aufgefordert, sich auf Anhöhen in Sicherheit zu bringen.
Nach Angaben der nationalen meteorologischen Behörde könnte ein Tsunami von einer Höhe bis zu drei Metern die Küste des Landes erreichen. Allein in den nördlichen Provinzen Aomori und Miyagi wurden 12.000 beziehungsweise 13.500 Haushalte aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen. Bahnbetreiber stoppten sicherheitshalber den Betrieb mehrerer Züge, unter anderem auch in der Hauptstadt Tokio. Auch Abschnitte von Autobahnen wurden wegen der Tsunami-Warnung gesperrt. Die Regierung in Tokio richtete einen Notfallstab ein.

Tsunami-Warnung für Russland aufgehoben


Für die gesamte japanische Ostküste galt eine Tsunami-Warnung, Hunderttausende Menschen in niedrig gelegenen Regionen waren aufgefordert worden, sich in höher gelegene Gebiete zu begeben.
Auch an der russischen Pazifikküste beobachteten die Behörden erste kleinere Flutwellen mit Höhen von bis zu 80 Zentimetern. Im Süden der Halbinsel Kamtschatka im Fernen Osten des Riesenreichs sei der Meeresspiegel um 40 Zentimeter gestiegen, meldete die Agentur Ria Nowosti. Einige Bewohner der Kurilen-Inselkette mussten sicherheitshalber ihre Wohnungen verlassen. Die Tsunami-Warnung sei noch nicht aufgehoben worden, hieß es. Berichte über Schäden lagen nicht vor.
Nach dem Beben der Stärke 8,8 am Samstagmorgen in Chile war praktisch für die gesamte Pazifikregion eine Tsunami-Warnung ausgesprochen worden. 16 Stunden nach dem Beben hatte die Flutwelle die Hawaii-Inseln erreicht. Dort waren die Bewohner der Küstenregionen am Samstag mit Sirenen gewarnt worden. Die Strände waren verwaist, zahlreiche Bewohner deckten sich mit Lebensmitteln und Benzin ein. Die Flutwelle verlief dann aber glimpflich.
Aus dem Pazifikstaat Tonga wurde eine zwei Meter hohe Flutwelle gemeldet, Hinweise auf Schäden lagen nach Behördenangaben zunächst nicht vor. Auf Samoa blieb der befürchtete Tsunami offenbar aus. Dort waren vor fünf Monaten bei einer Flutwelle 183 Menschen ums Leben gekommen. In Australien verzeichnete die Meteorologische Behörde einen 50 Zentimeter hohen Tsunami auf der Norfolk-Insel, auf den neuseeländischen Chatham-Inseln wurde am Sonntag eine zwei Meter hohe Welle gemeldet. Berichte über Schäden lagen nicht vor. Russland hob im Laufe des Sonntags den Tsunami-Alarm für seine Pazifikküste ebenfalls auf, für die Küste Japans wurde er herabgestuft.

Die Zahl der Toten nach dem Erdbeben und dem folgenden Tsunami in Chile wird nach Behördenangaben weiter steigen. Carmen Fernández, die Direktorin des Notstandsbüros im chilenischen Innenministerium sagte am Samstagabend, das Ausmaß der Katastrophe werde frühestens in drei Tagen feststehen. Nach bisherigen Erkenntnissen sind bei dem Beben mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen. Vor allem in den am stärksten betroffenen Regionen von Maule und Bíobío gelten außerdem zahlreiche Menschen als verschollen.
In der Stadt Concepción ist bei dem Beben ein Gebäude mit 14 Stockwerken in zwei Teile zerbrochen. Nach einem Bericht der Zeitung La Tercera wurden bis zum späten Abend (Ortszeit) etwa 30 Menschen lebend aus den Trümmern befreit, 60 Menschen seien jedoch noch in dem Komplex gefangen, der jederzeit ganz einstürzen könnte, berichtete das Blatt.
Finanzminister Andrés Velasco sagte den Opfern der Umweltkatastrophe finanzielle Unterstützung zu. Der Staatshaushalt sei flexibel, so dass das Land in der Lage sei, derartige Katastrophen zu bestehen.
Seit dem Hauptbeben wurden mehr als 70 Nachbeben mit einer Stärke von mindestens 4,9 registriert, berichtete die US-Geologiebehörde USGS.
Die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet versuchte am Samstagabend, ihren geplagten Landsleuten Mut zu machen: "Wie bei früheren Katastrophen werden wir auch diese Probe bestehen", sagte sie im Fernsehen. Ihren Angaben zufolge waren zwei Millionen Menschen direkt von dem Beben betroffen und 1,5 Millionen Wohnungen teilweise oder ganz zerstört.

Technisches Hilfswerk entsendet Team


Außer den erheblichen Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur in der Hauptstadt Santiago und anderen Großstädten weiter im Süden des Landes wurden weite Küstenstriche durch große Flutwellen verwüstet.
Die mächtigen Erdstöße am Samstag um 3.34 Uhr Ortszeit hatten die Menschen im Schlaf überrascht. Hunderttausende rannten in Panik aus ihren Häusern und kampierten aus Angst im Freien. Das Epizentrum lag nach Angaben der US-Erdbebenwarte etwa 92 Kilometer nordwestlich der Stadt Concepción.
Das Technische Hilfswerk (THW) entsandte ein Vorausteam in das Erdbebengebiet nach Chile. Am Samstagabend flogen vier THW-Helfer in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires, um von dort weiter in die vom Erdbeben betroffene Region im Süden Chiles zu reisen. Der Flughafen der chilenischen Hauptstadt wurde am Samstag bei dem Erdbeben der Stärke 8,8 schwer beschädigt und bleibt vorerst geschlossen. Unter den Einsatzkräften sind nach Angaben des THW zwei Fachleute einer Spezialeinheit, die auf Bergungseinsätze im Ausland spezialisiert ist und innerhalb weniger Stunden mit Ortungs- und Bergungsarbeiten beginnen kann.
Außerdem flogen ein Rettungssanitäter und ein Koordinationsexperte des THW, der die Lage gemeinsam mit Mitarbeitern der Deutschen Botschaft verfolgen soll, in die betroffene Region. "Ob wir weitere Hilfskräfte schicken, hängt davon ab, ob es ein Hilfegesuch der chilenischen Regierung gibt", sagte ein Sprecher des THW in Bonn. Bislang gebe es jedoch keine offizielle Anfrage der chilenischen Behörden.
Chiles kleine Olympia-Delegation will nach dem ersten Schock über das schwere Erdbeben in der Heimat doch an der Schlussfeier in Vancouver teilnehmen. Alle haben mittlerweile positive Nachrichten von ihren Familien und Freunden, die offenbar allesamt nicht Opfer der Naturkatastrophe geworden sind.
"Natürlich sind wir schockiert vom Erdbeben und traurig darüber, dass Menschen dabei gestorben sind", teilte das Team mit. Ursprünglich hatten die Chilenen erwogen, gänzlich auf die Teilnahme am Schlussakt der Winterspiele zu verzichten.

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