Dienstag, 16. Februar 2010

Titelmühlen: CDU-Abgeordneter wegen Doktortitel unter Druck

Politiker der SPD, der Grünen und der Linken fordern den Rücktritt des Bundestagsabgeordneten Dieter Jasper aus dem Münsterland. Ihr Vorwurf: Der CDU-Politiker habe die Wähler mit einem Doktortitel getäuscht, den er von einer Schweizer Titelschleuder bekam. Muss in Steinfurt neu gewählt werden?
Der münsterländische CDU-Bundestagsabgeordnete Dieter Jasper steht wegen eines umstrittenen Doktortitels in der Kritik. Er hat selbst eingeräumt, dass er einen in Deutschland nicht anerkannten Doktortitel geführt und inzwischen darauf verzichtet hat. Die Emsdettener Linke-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler beschwerte sich laut "Bocholter-Borkener Volksblatt" schriftlich bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über Jasper.

Bei der Bundestagswahl im September 2009 hatte Jasper für die CDU im Wahlkreis 129 - Steinfurt III das Direktmandat gewonnen. Sein Sieg fiel jedoch mit einem Vorsprung von zwei Prozentpunkten vor dem SPD-Bewerber nur knapp aus. 

"Als Abgeordnete und Wählerin aus dem Wahlkreis 129 möchte ich sie bitten, das Wahlergebnis für die Direktwahl in diesem Wahlkreis zum 17. Deutschen Bundestag überprüfen zu lassen und Neuwahlen in diesem Wahlkreis zu veranlassen", schrieb Vogler dem Zeitungsbericht zufolge an Lammert. Die Grünen hatten ebenso den Rücktritt des CDU-Bundestagsabgeordneten verlangt wie sein unterlegener Wahlkreis-Rivale Reinhold Hemker (SPD), früherer SPD-Abgeordneter, gelernter Theologe und promoviert.

"Wähler sollten auf Stimmzetteln nicht getäuscht werden"
 
Auch regionale SPD-Politiker beklagten sich beim Parlamentspräsidenten. "Da der Stimmzettel mit einem unzulässigen Doktortitel bei dem Kandidaten Jasper falsche Angaben enthielt, lag ein Wahlfehler vor", schrieb Björn Schilling, SPD-Ortsvereinsvorsitzenden aus Lengerich im Kreis Steinfurt, in einem am Dienstag veröffentlichten Brief. Die Bezeichnung des Bewerbers müsse nach den wahlrechtlichen Bestimmungen in allen Punkten ordnungsgemäß und zutreffend sein. "Das war hier nicht der Fall. Der Kandidat war zur Führung des Doktortitels nicht berechtigt", so Schilling weiter. "Ein solcher Titel konnte und sollte bei Wählern den Anschein erwecken, dass der Kandidat mehr von Wirtschaft versteht."

Der Sozialdemokrat argumentiert, nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei nicht auszuschließen, dass Wähler bei der Stimmabgabe es auch berücksichtigen, wenn der Kandidat ein promovierter Doktor der Wirtschaftswissenschaften sei. Das könne mitentscheidend für das Ergebnis sein. "Bei der Bundestagswahl sollten die Wähler auf amtlichen Stimmzetteln nicht getäuscht werden. Das schadet dem Vertrauen, das wir Bürger in unsere demokratische Ordnung setzen", schrieb Schilling.

Ein Sprecher des Bundestags kündigte an, das Einspruchsschreiben der Linken-Abgeordneten Vogler werde nun geprüft. Dieter Jasper war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme erreichbar; auf seiner Internetseite steht lediglich: "Meine Homepage wird momentan überarbeitet und steht Ihnen ab Februar 2010 wieder zur Verfügung."

"Kriterien in der Schweiz nicht so streng"
 
Mit Regionalzeitungen hatte Jasper zuvor aber gesprochen und erklärt, wie es zum Titel kam: Den akademischen Grad eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften habe ihm die Freie Universität Teufen Schweiz verliehen, sagte er der "Münsterschen Zeitung". Das Thema seiner Arbeit: "Elemente und Strukturen von Managementsystemen in KMU (Klein- und Mittelständische Unternehmen) - Betriebswirtschaftliche Analyse für einen Betrieb der Metall verarbeitenden Industrie". 

Die Uni habe er deshalb ausgewählt, weil "die Kriterien in der Schweiz für einen Doktortitel nicht so streng sind" und er die Arbeit "berufsbegleitend" habe schreiben können, ohne seine Behälter- und Apparatebau-Firma in Hopsten vernachlässigen zu müssen.

Medienberichte über gekaufte Doktortitel hätten ihn 2009 aufgeschreckt und veranlasst, ein Anwaltsbüro zu beauftragen, die Gültigkeit seines Schweizer Titels zu prüfen, sagte Jasper der "Münsterschen Zeitung" weiter. Im Oktober - also nach der Bundestagswahl - habe er dann das "überraschende" Ergebnis mitgeteilt bekommen: Der Titel sei in Deutschland nicht anerkannt. Sofort habe er alle Schritte unternommen, den vorher benutzten Titel entfernen zu lassen. Er hätte mehr überprüfen müssen, räumte Jasper ein: "Der Fehler war, dass ich zu leichtgläubig war und nicht genug nachgefragt habe." Aber er habe keinem geschadet und keine Straftat begangen.

Ob es rechtliche Konsequenzen gibt, ist noch offen. Wie die "Westfälischen Nachrichten" Anfang Februar berichteten, prüft die Staatsanwaltschaft Münster, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen den CDU-Abgeordneten einleitet. Der Vorwurf laute "Missbrauch von Titeln", Jasper müsse ein Vorsatz nachgewiesen werden und seine Immunität vom Bundestag dann aufgehoben werden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der Zeitung.

Der CDU-Kreisverband Steinfurt hatte erklärt, nach einem "ausführlichen und offenen Gespräch" mit Jasper sei der Kreisvorstand "nach wie vor von der persönlichen Integrität des Bundestagsabgeordneten überzeugt und weist deshalb Forderungen nach einem Rücktritt zurück". Jasper sei "völlig unabhängig von einem Titel" als Kandidat aufgestellt worden. 

In der Schweiz wirbeln die Titelmühlen
 
Die "Freie Universität Teufen", deren Doktortitel Jasper führte, gilt Experten schon seit vielen Jahren geradezu als Klassiker unter den Titelmühlen, von denen es weltweit Tausende gibt. Der Handel mit Master-, Doktor- oder Professorentiteln blüht auch an einer Reihe anderer wunderlicher Hochschulen in der Schweiz, darunter die "Freien Universitäten" Zug, Cham oder Herisau.

Das übliche Muster von Titelschleudern weltweit: Solche "Universitäten" haben oft keine Hörsäle und sind schwer auffindbar, denn sie kommen mit einer Internetpräsenz und einem Postfach aus. Sie haben keine staatliche Anerkennung, bieten in der Regel "Fernstudien" an und vergeben allerlei akademische Grade, die allerdings in Deutschland nicht geführt werden dürfen. Denn wer akademische Grade oder Titel unbefugt führt, wird laut Paragraf 132 des Strafgesetzbuches "mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft".

Die "Freie Universität Teufen" treibt dieses Spiel seit 1985; dass man dort Titel kaufen kann, ist Experten sattsam bekannt. Darüber stolperte unter anderem schon der Berliner CDU-Abgeordnete Mario Czaja, der sich mit dem Abschluss "Diplom-Ökonom" geschmückt hatte. 2006 entschuldigte sich der Politiker ohne Abitur bei seinen Wählern und Fraktionskollegen im Berliner Abgeordnetenhaus, weil er es sich mit seinem Teufen-Fernstudium "zu leicht gemacht" habe. Die CDU zog ihn aus dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung ab.

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